Die Musik – nettes Beiwerk in Workshops
Improtheater wird in Workshops unterrichtet. Es gibt ein vielfältiges Angebot zu sämtlichen Themen, die sich mit der Kunstform befassen. Und das ist großartig. Workshops für Einsteiger bis Profis, von Improgames bis Langformen, von Pantomime bis Publikumsbeschimpfung. Und natürlich: Musikworkshops. Viele Techniken tauchen in den Workshops wieder auf, die bereits Einsteiger lernen und die Grundlagen für das improvisierte Theater sind. Einen bestimmten Fokus in Workshops zu haben, hilft, nicht die Eier legende Wollmilchsau anzubieten und letztlich wenig mitgeben zu können. Das ist prima. Spezialisierungen helfen bei der Auswahl und beim In-die-Tiefe-Gehen.
Im sehr überschaubaren Angebot der Musikworkshops finden sich hauptsächlich Themen, wie „Musik für Einsteiger“, „Erste Schritte beim Improsingen“, „Wie singe ich tolle Songs“, „Impro-Musical“, „Impro-Oper“, usw. Doch was ich sehr vermisse, ist die Kombination, die sich auf der Bühne findet: Das Zusammenspiel von Improtheater und improvisierter Musik. Spieler können tolle Formate lernen, ihr Figurenspiel verbessern oder das Storytelling vertiefen, doch ein Bezug zur Musik findet nur selten praktisch statt. Das geschieht dann (hoffentlich, aber zu selten) in Proben innerhalb der Gruppen oder direkt beim Auftritt. Doch der Fokus liegt dennoch all zu oft auf dem Format oder dem Schauspielthema. Musik ist nette Begleiterin, Untermalerin, Unterstützerin, Oberbauphänomen, Zuckerguss. Und am Ende einer Show das „schöne“, was die Show noch „schöner“ gemacht hat. „Schöne Musik. Danke, Musiker!“ Im Zuge der Impromusiker Camps der letzten Jahre gab es oft die Diskussion der Musiker, dass Improspieler zwar gern mal einen Gesangsworkshop besuchen und das nicht sehr oft, jedoch das Spiel mit der Musik in Szenen, viel zu wenig Aufmerksamkeit bekommt. Musiker sind dann oft frustriert, weil die Musik zwar oft gelobt, dennoch selten über ihre Beiwerkfunktion hinaus kommt. Dabei sind sich alle, Musiker wie Spieler, einig, dass Musik das Improspiel so sehr bereichert. Dennoch genügt den meisten Spielern, dass sie möglichst mit schnellem Erfolg, tolle Improsongs singen können. Basta.
Von Impro-Kindesbeinen an
Meiner Meinung nach müsste die Musik und das Zusammenspiel von Anfang an mit unterrichtet werden. Sicherlich lernt ein Anfänger sehr viel zu Beginn und muss schon so viel neues aufnehmen und umsetzen, was das Schauspiel angeht, jedoch kommt die Musik oft später, wenn überhaupt. Dadurch unterstützt man wieder die Rolle als nettes Beiwerk, das dich als Spieler noch besser da stehen lässt. Aber was ist mit ihrer aktiven Rolle in den Geschichten und Szenen? Ich rede nicht von Songs. Ich spreche von der Musik in Szenen. In den ersten Workshops werden neben Improspielen (hoffentlich) viele Geschichten und Szenen gespielt. Und da dann ohne Musik. Der Trainer ist ein Improspieler. Er will in erster Linie Improschauspiel vermitteln. Ein Musiker würde extra kosten oder ist schlichtweg nicht auffindbar. Als Improspieler kann der Trainer eventuell wenig sagen, wie wirklich mit der Musik gespielt wird, statt sie nur als netten Rahmen zu begreifen. Jetzt werden sehr viele aufschreien und sich nicht als undankbar hinstellen lassen wollen. Ich sage nicht, dass Musiker da zu wenig gewertschätzt werden. Im Gegenteil: Sehr viele Improspieler sind sehr dankbar für die wunderbare Musik, die viele Musikerkollegen machen. Ich meine, dass es dem Improtheater gut tun würde, wenn der Bezug und das Zusammenspiel mit Musik gleich von Beginn an berücksichtigt und unterrichtet werden würde. Und sei es nur, dass der Schauspieltrainer immer auch einen Bezug zur Szenenmusik und ihrer Rolle herstellt. Es sollte ein fester Block in einem Workshop sein, dass Auftrittsbedingungen oder zumindest langfristige Ziele so von Anfang an vermittelt werden. Denn Ziel ist es doch für viele Auftritte am besten mit Musiker zu machen. Sei es ein Mal im Jahr oder jede Woche. Musiker werden manchmal ein paar Stunden zum Workshop hinzugebeten. Dann werden Szenen mit Musik gespielt. Alle sind erstaunt, wieviel die Musik die Szene besser macht. Aber herrscht wirklich ein Bewusstsein, die Rolle der Musik zu vermitteln? Gibt es gezielte Übungen des Trainers zu dem Thema, damit Musik nicht nur unterbewusst ins Spiel einbezogen wird? In den meisten Fällen scheitert die Verbindung daran, dass der Schauspieltrainer zu wenig zur Musik sagen kann und der Musiker zu wenig zum Schauspiel. Die Realität, und das zeigen die Diskussionen mit den Impromusiker Camp Teilnehmern aus ganz Deutschland, zeigt, dass die Musik allzu oft den Spielern folgen muss. Es herrscht zu wenig Bewusstsein, Musik auf Augenhöhe als Mitspieler und dramaturgisches Mittel zu begreifen. Und selbst bei erfahrenen Spielern stelle ich es auf der Bühne fest. Das gibt zwar niemand gern zu und der Protest und Einwand nach Veröffentlichung dieses Artikels wird groß sein, aber dennoch wird über eine laute Passage, die bewusst so gespielt wird vom Musiker damit die Musik führt und im Fokus ist, hinweg gesprochen oder gerufen. Und sei der Text noch so unwichtig. Oder im schlechtesten Fall sogar wichtig für die Story. Letztlich wird das Publikum wahrnehmen, dass der Musiker irgendwie zu laut war. Also falsch gespielt hat. Haben Spieler ein Bewusstsein für zum Beispiel so eine Situation auf der Bühne, wird es ein Zusammenspiel. Die Musik führt und bekommt Raum. Bewusst und mit einem Hintergedanken, der der Geschichte zuträglich ist.
Wie wichtig ist Euch die Musik wirklich
Zurück zur Ausgangsfrage: Warum nicht gleich von Anbeginn Schauspiel und Musik bewusst mit einander verbinden? Die Teilnehmer sind davon nicht überfordert. Ich kenne es selbst aus eigener Erfahrung, wenn ich Impro unterrichte, wo der Fokus auf dem Schauspiel liegt. Als Musiker beziehe ich natürlich die Musik immer in den Unterricht mit ein. Teilnehmer werden gleich von Anfang an sensibilisiert für das Zusammenspiel. Ein Teil in Workshops sollte nicht nur Improsingen sein, sondern ein analytischer und praktischer Blick auf Musik in Geschichten und Szenen. Das muss gezielt von Anfang an trainiert werden. Sonst ist es sehr schwer für Musiker aus der ewigen Begleiterrolle heraus zu kommen und Fokus, Führen, Folgen auch im Zusammenspiel mit den Improspielern praktizieren zu können. Ein Bewusstsein, dass Musik ein wichtiger und vor allem aktiver Teil im Improtheater ist, tut Spielern und Musikern gut. Da helfen keine Lippenbekenntnisse. Und die hörte ich in den letzten 11 Jahren oft genug. Die Kunstform sollte sich weiter entwickeln. Ein „Das haben wir schon immer so unterrichtet“ oder „Das würde Anfänger überfordern“ wird nicht dabei helfen. Versucht diese musikalische Verbindung auch bei den Grundlagenworkshop gleich mit zu denken und zu praktizieren. Holt Euch Musiker dazu und lasst auch sie zu Wort kommen, was sie da tun, wenn sie Geschichten musikalisch gestalten. Die andere Seite: Unterrichtet in Musikworkshops nicht nur Songs und Genres, sondern reflektiert Musik in Szenen und arbeitet dazu auch praktisch mit Teilnehmern. Musik im Improtheater sind nicht nur Songs mit viel Text, so wie Improtheater nicht nur Improgames mit viel Gequatsche und Gags sind. Überlegt, ob Euch und der Kunstform geholfen ist, die Musik weiterhin zu loben, sie aber dennoch nicht aktiv in die Lehre einzubeziehen. Als Musiker überlegt, nicht nur das Improvisieren von Songs zu unterrichten, sondern auch Übungen zu machen zu Szenen und Musik. Kurzum: Lasst die Musik nicht nur ein Teil sein, den man alle 5 Jahre ein Mal in einem Workshop bearbeitet. Sie sollte immer eine Rolle spielen, egal bei welchem Schauspielthema. Die Ideallösung wäre ein Improspieler, der sich auch mit der Musik bestens auskennt oder ein Musiker, der selbst auch Impro spielt. Was jetzt noch nicht ist, kann ja noch werden, oder?! Wer sich nun nach Ausreden umsieht, spielt oft schon lange Impro. Aber man sollte doch nicht vergessen, dass Improspieler sehr kreativ darin sind, Ausreden zu finden, sich nicht mehr verändern zu müssen, je länger sie spielen. Kurios, oder?
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- Das 4. Impromusiker Camp für alle MusikerInnen, die mit Improtheatern zusammen arbeiten, findet vom 10. bis 13. Mai in Darmstadt statt. Infos & Anmeldung hier.
- Workshop „Musik – Dein Partner“ beim Impro-Hotel im August auf Mallorca.
- Workshop „Das klingt (wirklich) nach einem Lied“ im April in Karlsruhe.
Ich als Spielerin bin immer sehr dankbar über den mich unterstützenden Musiker, den ich im übrigen auch als „Spieler“ auf der Bühne sehe- die begleitende Musik hilft mir, gibt mir Input und neue Impulse oder verstärkt meine Intentionen. Von Anfang damit zu üben erleichtert vieles- vor allem kann man zuhören lernen. Mit dir übrigens von meinem liebsten Lehrer.