unTrue Crime oder Warum nicht alles wahr sein muss

Impro Podcasts seit 2009

Podcasts sind seit geraumer Zeit in aller Ohren. Ich habe bereits 2009 zusammen mit meinen Berliner Kollegen Thomas Jäkel und Georg Weisfeld mit dem ich von 2007 bis 2012 beim Improtheater Paternoster gespielt habe Deutschlands ersten Podcast über Improtheater zu produzieren und zu veröffentlichen. Damals standen wir noch ziemlich allein auf weiter Flur damit. FrequenzImpro ist seit einiger Zeit schon offline. Wir haben in unzähligen Folgen damals versucht, Improtheaterspiele und andere Aspekte zu erklären und zu diskutieren. Nahezu zeitgleich startete ich meinen Podcast Hear and Now über improvisierte Musik und Improtheater. Aber auch diesen habe ich irgendwann nicht mehr konsequent verfolgt. Obwohl ich viel gutes Feedback sogar aus der Wiege des Impros, Chicago, erhalten habe oder als Gast in einem Seminar der Hochschule für Musik in Köln war. Nun ja, ich kann mich allein nicht motivieren weiterzumachen. Und vielleicht ist Youtube eigentlich das bessere Medium, weil man auch sehen kann, was ich wie auf dem Klavier spiele. Wie dem auch sei. Man kann ihn aber immer noch online hören. Zum Beispiel hier oder auf dieser Seite unter Podcast.

Der Neue seit 2022

Nach langjähriger Zusammenarbeit im Impro Duo mit meinem Freund und Kollegen Martin Papke kam uns Anfang 2022 die Idee einen neuen Podcast zu produzieren. Eigentlich waren es zwei. Aber den anderen will ich unerwähnt lassen, weil wir ihn nach wenigen Folgen wieder aufgegeben haben. Es gibt mittlerweile einige Impro Podcasts. Da brauchte es nicht noch unseren. Aber eine Idee wollten wir unbedingt in die Welt bringen. Da ich als Ziron&Papke schon seit einigen Jahren mit verschiedensten Unterhaltungsformaten, vor allem Krimidinnershows, auf den Bühnen unterwegs bin, lag und liegt uns das Krimi-Genre. In unzähligen Dinnershows und Improshows mit kriminalistischem Fokus haben wir zahlreiche Krimigeschichten erzählt und gespielt. Und da wir als Duo keinen Ermittlungskrimi à la Tatort spielen wollten, wo einer auf die Kommissarrolle relativ festgelegt ist, haben wir das Pferd von hinten aufgezäumt. Genauer gesagt spielen wir bis zum Mord und beleuchten, was Menschen dazu bewegt, jemanden umzubringen. Martin und ich sind seit Jahren Podcast Hörer und natürlich True Crime interessiert. ZEIT Verbrechen ist einer der erfolgreichsten Podcasts in der Rubrik True Crime. Das Verbrechen von nebenan fasziniert die Menschen ja nicht erst seit Aktenzeichen XY im Fernsehen über reale Verbrechen berichtete und nach den Täter unter Mithilfe der Zuschauer:innen gesucht hat.

Martin Papke & Stephan Ziron aka. Ziron&Papke

Wir haben uns also gefragt, warum dieses Genre mittlerweile auch im Podcast Bereich so erfolgreich ist. Wie auch viele Überlegungen, die wir beim Improtheater und in der Impro Comedy anstellen, kamen wir zum Schluss, dass Menschen gute Geschichten mögen und Motivationen, Gedanken, Gefühle und Schicksale von Menschen interressiert. Es geht also um Story und Characters. Im Crime Genre natürlich auch um die Tat und die Beweggründe, Hintergründe und Umstände. Um Täter:innen, Opfer, Ermittler:innen, Zeug:innen. Das ganze kriminalistische Personal eben. Aber letztlich sind es die Beziehungen und Konflikte, die es spannend machen. Der Konflikt und die Motivation einer Figur könnte mit Motiv gleichgesetzt werden. In diesem Fall bei der Täter:in. Zeugen haben bestimmte Beziehungen. Und hinter fast jedem Mord steht eine Beziehungstat. Schlimm genug, aber so weit so spannend auch. Und was im wahren Leben passiert und für spannend befunden wird von einem Publikum, muss ja auch improvisiert, also spontan erfunden, funktionieren.

Spontane Verbrechen

Mit SPONTANE VERBRECHEN haben wir als Ziron&Papke also nun begonnen im Januar 2022 Folgen aufzunehmen. Zunächst einen Trailer und dann ein paar Folgen im Voraus produziert. Wir haben eine Ermittlerfigur eingeführt, Kommissar Kurt Oeverpetters von der Polizeiwache Wendland und die Rahmengeschichte erzählt, dass ich 2020 ins schöne Wendland in die Nähe von Gorleben gezogen bin und wir im Keller die alten Ermittlungsakten eben jenes Kommissars gefunden haben. Wir haben also die Schauplätze auf das Wendland begrenzt. Eine beschauliche wunderschöne Landschaft mit kleinen pitoresken Dörfern, die bis an die Elbe reicht. Alles was man für einen Regionalkrimi braucht. Im Fernsehen funktioniert sowas ja auch. Und Lokalkollorit lieben die Menschen einfach. Was uns völlig verwundert, aber auch gefreut hat, war, dass die Hörer:innen dachten und teilweise bis heute noch denken, dass alle Fälle genauso passiert sind.

Alles ist 100% wahr…

…bis auf den Teil, den wir uns ausdenken. Wir erwähnen an keiner Stelle, dass wir improvisieren. Wer uns nicht kennt und den Beschreibungstext bei den Podcast Anbietern nicht liest, bleibt also im Glauben, dass alles so passiert ist. Vielleicht wollen die Menschen auch einfach in dem Glauben bleiben. Weil, ganz ehrlich, an sehr vielen Stellen sind die Fälle und Namen schon sehr skurril. Als wir das Feedback zur Folge „Blutiger Galopp“ gelesen haben, in dem uns vorgeworfen wurde, dass wir keine Ahnung von Pferden hätten und die gar keinen Spagat können, glaubten wir gänzlich, dass es Hörer:innen gibt, die uns alles abnehmen, was wir erzählen. Dafür haben wir übrigens Punktabzug bei den Bewertungen geerntet. Und das wäre letztlich ja kontraproduktiv für das Produkt „Podcast“. Also gaben wir uns mehr Mühe beim Übertreiben. Zwei der ersten Kommentare warfen uns vor, dass wir uns nicht gut genug vorbereitet hätten, die Akten nicht richtig gelesen und den Fall für die Hörerschaft nicht vernünftig vorbreitet haben. Nun gut. Haben wir auch nicht. Wir wissen ja in Minute 1 auch nicht, was in Minute 44 passiert sein wird. Aber wir nehmen es als Kompliment. Schließlich ist der Schein der Perfektion und der Vergleich mit der Komposition oder festen vorbereiteten und geprobten Stück das höchste Kompliment, was man als Improvisateure bekommen kann. Die Menschen haben anscheinend unsere völlig ernst erzählte Persiflage auf True Crime Podcasts nicht verstanden. Einfach weil wir zu gut waren. Damit können wir leben.

Aber warum glauben Menschen die Geschichten? Wir vermuten, dass es an der grundlegenden Technik der Improvisation liegt: dem Annehmen, Akzeptieren, Au Ja-Sagen und ständigen Bestätigen der Behauptungen des anderen. Der ganze Podcast besteht aus aneinander gereihten Behauptungen, die durch direkte oder indirekte Bestätigung des Spielpartners „wahr“ werden. Mir ist irgendwann aufgefallen, dass ich in den Aufnahmen ständig „genau“ sage. Martin sagt häufig „richtig“, wenn ich eine neue Behauptung aufgestellt habe. Das auditive Kopfnicken, das auch schon in der Körpersprache Zustimmung und beim Verkauf im Laden sogar den Kaufimpuls verstärken kann. Eine große Kraft also. Und da auf jede Behauptung prompt eine Ping-Pong-Behauptung des anderen Folgt, hat die Hörerschaft kaum Zeit drüber nachzudenken, wie „wahr“ das alles ist. Ok, das ist jetzt überspitzt. Aber du verstehst meinen Punkt. Sag einfach Ja! Nimm es an. *zwinkersmiley*

Ein neues Podcast Genre erfunden

Aus Versehen haben wir also ein neues Podcast Genre erfunden. So schrieb es die Elbe-Jeetzel-Zeitung nach einem Interview mit uns am Weil außer uns niemand bisher auf die Idee kam sich im Stile von True Crime die Kriminalfälle nur auszudenken und das auch noch zu improvisieren. Aufnahme Button und los geht’s. Kein Schnitt. Alles One Take. SPONTANE VERBRECHEN ist damit der erste, einzige und erfolgreichste UnTrue Crime Podcast mindestens Deutschlands. International habe ich allerdings auch nicht wirklich was vergleichbares gefunden. Das ging mir schon mit meinem Hear and Now Podcast so. Es gab damals auch schlichtweg keinen Podcast, der sich mit improvisierter Musik und dem Bezug zum Improtheater beschäftigt hat. Völlig irre. Und auch die Impromusiker Camps, zu denen ich 5 Jahre lang Musiker:innen eingeladen habe, um ein Barcamp zum Thema Impromusik zu machen, wurde selbst nach Chicago – wir erinnern uns: die Wiege des Impro – importiert. Aber so sollte Impro sein: Menschen verbindend.

SPONTANE VERBRECHEN haben wir mitterweile auch schon vier mal live auf der Bühne vor Publikum aufgenommen. Auch dies funktioniert, weil Menschen gern Geschichten hören. Wenn sie auch noch indirekt etwas mit ihnen zu tun haben, um so besser. Der UnTrue Crime Podcast von Ziron&Papke erscheint alle 14 tage auf allen gängigen Podcast Plattformen und wird es wohl noch sehr lange. Denn die imaginären Aktenberge in meinem Keller sind schier unendlich groß. Mindestens genauso groß wie unsere Fantasie.

In diesem Sinne…. Passen Sie auf sich auf und hören mal rein!

SPONTANE VERBRECHEN hier online hören mit Links zu allen Podcast Anbietern

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