Eine gewagte These von mir ist „Workshops bringen nichts.“. Ganz schön weit aus dem Fenster gelehnt, wo ich doch selbst sehr viele Workshops im Bereich Improvisation, Impromusik und Theater gebe. Aber es ist in der Tat so, dass vielen Workshops auch wenn sie mehrere in den letzten Jahren besucht haben, nichts bringen. Warum ist das so? Betrachten wir es von der Haltung des Teilnehmers aus. Viele haben als Hobby das improvisierte Theater für sich entdeckt. Ein, zwei Einsteiger Workshops ermöglichen erste schnelle Erfolge. Die Theaterspiele von Keith Johnstone sind schnell erlernbar und sehr beliebt in Anfängerworkshops. Damit lassen sich erste Shows spielen und die Aussicht auf schnelle Feedbacks, meist in Form von Lachern, ist nahezu garantiert. Auch wenn Johnstone ausdrücklich betont, dass das nicht das Ziel sein sollte. Jedoch erlebe ich oft, dass Teilnehmer auch nach Jahren Impro Erfahrung, insbesondere Workshopteilnahmen, an einem bestimmten Punkt stehen bleiben. Die Form garantiert den Erfolg und das genügt. Weil das Publikum bei einer Synchroszene sowieso schon lacht, braucht sie keine gute Story. Bricht man das herunter, bleiben einige sogar schon innerhalb eines Workshops stehen. Oder: Sie stoßen an ihre Grenzen. Die Grenzen der eigenen Komfortzone. Da, wo es anfängt schwieriger zu werden. Wo Arbeit und Konzentration nötig und Scheitern an der Tagesordnung ist. Scheitern? Geht es denn nicht beim Improtheater genau um den Umgang mit Scheitern? Sagte das nicht der erste Trainer, den Du erlebt hast bereits in seinen Eingangsworten des ersten Workshops? „Scheiter heiter!“ Dennoch mag niemand das Gefühl zu scheitern. Etwas nicht schnell zu können oder nur mit viel Arbeit kleine Schritte voran zu kommen. Und genau da kommt noch ein weiterer Faktor ins Spiel: Talent. Ein großes Wort. Genauso wie Erfolg. Aber Erfolg in einer Sache, oder sagen wir Fortschritt, ist immer eine
Mischung aus Talent und Fleiß. Jeder, der ein Instrument lernt, weiß, was das heißt. Und dort schlägt meistens Fleiß das Talent. Denn Faulheit hat noch niemanden voran gebracht. In der Musik sind meistens die fleißigen erfolgreicher, als die talentierten. Ein Instrument oder die Stimme als Instrument zu beherrschen und gezielt einsetzen zu können, bedeutet viel Arbeit. Tolle Musiker haben tausende Stunden in ihr Können investiert, damit sie so spielen, wie sie spielen. Das erklärt auch, warum sie so horrende Gagen für eine Improshow haben wollen 😉 Die Arbeit fand vorher statt, auch wenn die Show nur 90 Minuten dauert. Da sitzt Du nun also in einem weiteren Improworkshop, kennst alle Regeln, Spiele und Tricks und bewegst Dich doch nicht aus deiner Komfortzone. Weil es weh tut.Weh tut, wenn man seinem eigenen Anspruch oder denen des Publikums nicht gerecht wird. Vielleicht weißt Du einfach nicht, wie Du es anders machen kannst. Vielleicht weißt Du aber ganz genau, dass Du in Workshops selten an dem Punkt weiter machst, wo es anfängt unangenehm zu werden und weh zu tun. Immer die gleichen Figuren, die gleichen Storys, die selben Spielchen mit den Lachern an vorhersehbaren Stellen.
Wie kommst Du nur raus aus diesem Dilemma? Ein Weg könnte sein, sich spezielle Workshops zu suchen, die sich mit einem bestimmten Aspekt der Improvisation beschäftigen. Ob die reine Figurenarbeit, Stimmbildung, Texten oder Storytelling. Ein Fokus auf das, was Du noch nicht kannst, kann Dich weiter bringen. Achte besonders darauf, dass in den Workshopbeschreibungen nicht zu viele Angebote gemacht werden. Jeder Trainer möchte seinen Kurs voll bekommen. Klar, er möchte auch davon leben. Aber die Eier legende Wollmilchsau hilft niemanden weiter in die Tiefe zu gehen. Und Tages- oder Wochenendworkshops? Vielleicht bei internationalen Trainern? Bringen eben Impulse und mehr können sie in so kurzer Zeit gar nicht geben. Das Stichwort heißt: Weiterarbeiten. Übungen und Tipps mitnehmen in das persönliche Training mit der Gruppe oder anderen Improvisierern. Reflektiere Dich selbst. Wo wird es unangenehm für Dich? Wo würdest Du gern weglaufen, weil Dich die Übung fordert und Du als Teilnehmer nicht dauernd gestreichelt wirst oder zum nächsten lockeren Game übergegangen wird. An wlecher Stelle merkst Du, dass Du immer die gleichen Melodien und Texte singst. Wo Du dich selbst langweilst? Es tut weh zu scheitern, aber genau dafür ist ein Workshop da: Um dich auszuprobieren, um etwas zu wagen, um danach zu sagen „Ich habe etwas verstanden und mache es nun bewusst anders“. Workshops außerhalb der Improtheaterszene können Dir auch helfen. Mach einen Kurs in einer Autorenschule, kreatives Schreiben oder Zeichnen. Probiere Dich an einem Instrument aus. Und sei es „nur“ die Triangel. Man kann so eine Triangel auf tausend verschiedene Arten spielen. Entdecke das Faszinierende daran. Sei neugierig. Auf Dich selbst! Aber vor allem: Gehe dahin, wo Deine Angst liegt. Lass Dir Feedback geben. Vom Trainer und von Deinen Mitspielern. Was macht Du ständig, wo klappt etwas richtig gut? Suche dir Trainer, die zu Dir passen. Trainer, die Dich inspirieren und weiterbringen wollen. Und vor allem: Nimm es ernst. Der Spaß kommt nicht dadurch, dass ich etwas so lange lustig mache bis es nur noch albern ist oder ich die Regeln über Bord werfe. Nein, der Spaß kommt durch das Ernst nehmen von Regeln oder das Ernst nehmen, diese Regeln zu brechen und die Übung weiterzuentwickeln. Nur wenn Du von Ernst über Spaß gehst, kommst Du zum Flow. Jenes zeitlos schöne Gefühl des Ewig-weiter-machen-wollens. In dem Du zu Höchstleistungen im Stande bist. Verrate nicht was Du tust, nur weil Du scheiterst oder noch nicht so gut bist, wie Du gern wärst. Versuch zu spielen, wie eines Deiner Vorbilder. Immitiere und lerne. Dann wird es zu Deinem Eigenen.
Wenn Du dich für den nächsten Improkurs anmeldest, rede vorher mit dem Trainer. Lerne ihn kennen. Was ist sein Fokus, worauf achtet er und worin möchte er Dich besser machen? Finde genau raus, ob die Inhalte den Bereichen entsprechen, in denen Du dich weiterentwickeln musst/willst. Der Spaß kommt über den Ernst. Auch wenn manche Übungen oder Workshopbeschreibungen dich zunächst abschrecken, vielleicht sind sie genau das, was Du jetzt brauchst an der Stelle, wo Du mit deiner Impro stehst. Gefällt Dir der Workshop in der Abschlussrunde nicht, lass ihn sacken. Die Workshops, die mich am meisten aufgeregt haben, haben mich meistens am weitesten gebracht. Die Stücke, die ich auf dem Klavier am wenigsten gemocht habe, habe ich später am meisten geliebt. Weil sie mich eines gelehrt haben: Dran bleiben und die Komfortzone zu verlassen, bringt mich in meiner Entwicklung wirklich voran. Schacka und reine Spaßveranstaltungen haben das nicht getan. Du möchtest singen, wie die Popstars? Dann arbeite dran! Du möchtest authentisches Spiel auf der Bühne? Dann arbeite dran! Du möchtest bessere Geschichten erzählen? Dann arbeite dran!
Am Ende wirst Du immer belohnt.
Geh dahin, wo der Schmerz ist. Das unterschreibe ich.
Die Überschrift unterschreibe ich in dieser Absolutheit nicht (die hat mich allerdings interessiert – darum bin ich im Artikel gelandet). Inhaltlich würde ich den Artikel unterschreiben. Man kann sich mit Impro so schön einrichten. Wir albern lustig auf der Bühne rum, das Publikum wirds schon auch lustig finden und irgendjemand lacht immer.
Was ich persönlich wahr nehme, manche WorkshopleiterInnen legen es nicht darauf an, TeilnehmerInnen im Workshop an ihre Grenzen zu bringen und zu zeigen, wie man da drüber hinaus kommt. Die Komfortzone zu verlassen strengt an und tut den TeilnehmerInnen evtl. weh. Wem ich weh tue, kommt vielleicht nicht wieder. Und Workshopanbieter müssen verkaufen um zu überleben. Da wird teilweise mit Wattebällen geworfen, um keinen zu verprellen, oder schlechte Szenen werden weggelächelt.
Einen zweiten Punkt, warum aus meiner Sicht manche Workshops ineffizient sind, ist die Zusammensetzung des Teilnehmerkreiseses. Da werden Voraussetzungen beschrieben (fortgeschritten, mind. Erfahrung XY), aber auf die Einhaltung nicht geachtet. Orientiert wird sich dann am unteren Level. Der Workshop muss voll werden.
Klingt jetzt so, als ob ich nur schlechte Erfahrungen gemacht habe? Nein, ich durfte viele tolle Workshops besuchen, die mich weiter gebracht haben.
VG Ralf
Entwicklung findet da statt, wo wir an und über unsere Grenzen gehen. Alles andere ist Stillstand oder Langeweile. Das, was mich am meisten Überwindung gekostet hat, bringt mich wirklich weiter.
Der Titel sollte lauten:
“ warum workshops allein nichts bringen“
ansonsten stimme ich zu 100% mit dir überein..
So ein workshop kann zumindest helfen due eigenen grenzen zu erkennen..
das weiß man auf anhieb (besonders bei anfängern) auch nicht wirklich..zudem erweitert es den eigenen horizont..
Das wichtigste bleibt jedoch gleich:
Was mache ich mit dieser erkenntnis?